Die Finanzlage der hessischen Kommunen hat sich im vergangenen Jahr besorgniserregend schlecht entwickelt. Das geht aus dem dritten hessischen Kommunalfinanzbericht der Gewerkschaft ver.di hervor. Er wurde heute in Wiesbaden von ver.di und dem DGB Hessen-Thüringen vorgestellt. Der Bericht zeigt auf, dass die kommunale Ebene in Hessen ein Defizit von 1,5 Milliarden Euro aufweist, während die deutschen Kommunen insgesamt ein leichtes Plus erzielt haben.
Autoren der 55-seitigen Studie sind Dr. Kai Eicker-Wolf vom DGB Hessen-Thüringen und Prof. Achim Truger von der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin. Eicker-Wolf zu den Ergebnissen: „Die hessischen Kommunen haben ein Einnahmeproblem, und das in doppelter Hinsicht. Sie weisen zum einen in den Jahren 2008-2012 verglichen mit dem Bundesdurchschnitt eine relativ schlechte Entwicklung der Steuereinnahmen auf. Deren Ursache dürfte in der im Ländervergleich äußerst schwachen Entwicklung der hessischen Wirtschaft liegen. Außerdem spielen natürlich seit 2011 die gekürzten Landeszuweisungen als zweitwichtigste Einnahmequelle der Kommunen eine Rolle. Zum anderen ist zu bedenken, dass die Steuerreformen seit der Jahrtausendwende den Kommunen in Hessen viel Geld entzogen haben.“
Stefan Körzell, Vorsitzender des DGB-Bezirks Hessen-Thüringen, hob zwei besonders negative Entwicklungen hervor: „Wieder einmal sind im vergangenen Jahr die kommunalen Kassenkredite beträchtlich gestiegen. Sie belaufen sich mittlerweile auf deutlich über 7 Milliarden Euro. Vergleicht man die Pro-Kopf-Verschuldung der Bundesländer, liegt Hessen auf dem vierten Platz. Dramatisch ist aus meiner Sicht auch, dass die kommunalen Investitionen nach dem Auslaufen der Konjunkturfördermittel stark rückläufig sind. Die Investitionsquote, also das Verhältnis von Investitionen und Wirtschaftsleistung, ist im Jahr 2012 auf einen Rekordtiefstand gesunken – und das, obwohl ein massiver Investitionsstau bei den Straßen, bei Schulgebäuden und so weiter besteht.“
Vor diesem Hintergrund bewertete der Leiter des Landesfachbereichs Gemeinden von ver.di Hessen, Gerhard Abendschein, die Landespolitik der letzten Jahre kritisch: „Das Sonderinvestitionsprogramm des Landes in den Jahren 2009-2011 war sicherlich eine gute Maßnahme, aber es hat lediglich einen Teil des bestehenden Investitionsstaus auf der Gemeindeebene beseitigt. Und die Teilentschuldung der Kommunen im Rahmen des so genannten Kommunalen Schutzschirms ist sicherlich vom Grundsatz her zu begrüßen. Aber die Auflagen im Rahmen des Kommunalen Schutzschirms wirken wie eine finanzpolitische Zwangsjacke. Kürzungen, Leistungseinschränkungen und Gebührenerhöhungen an der falschen Stelle gefährden die kommunale Selbstverwaltung.“
Erforderlich sei, so Abendschein weiter, eine angemessene Neugestaltung des kommunalen Finanzausgleichs in Hessen. Das Land Hessen stehe nach der erfolgreichen Klage der Stadt Alsfeld in der Pflicht, die Kommunalfinanzierung neu und vor allem an nachvollziehbaren Bedarfskriterien neu zu regeln. Hier seien die berechtigten Ansprüche der Kommunen endlich zu realisieren. Außerdem müsse die Steuerpolitik generell für höhere Einnahmen sorgen: „Die öffentliche Hand in Deutschland ist gemessen an den zu bewältigenden Aufgaben strukturell unterfinanziert. Wir geben unter anderem viel zu wenig Geld für öffentliche Investitionen und im Bildungsbereich aus. Ich möchte als Beispiel nur darauf verweisen, dass wir den Empfehlungen der EU bei den Betreuungsschlüsseln im vorschulischen Bereich nicht nachkommen. Deshalb haben wir von ver.di ein Steuerkonzept erarbeitet, das durch eine moderat höhere Belastung des Unternehmenssektors, von reichen Haushalten und hohen Vermögen die Einnahmebasis der öffentlichen Hand stärkt. Würden unsere Vorschläge umgesetzt, dann würden Land und Kommunen in Hessen Mehreinnahmen in Höhe von jeweils rund 2,5 Milliarden Euro verzeichnen. Mit diesen Mitteln könnten die Löcher in den öffentlichen Kassen gestopft und wichtige Zukunftsaufgaben angegangen werden.“
Die Gewerkschaften, so Abendschein, seien sich einig, dass die öffentliche Daseinsvorsorge sich wieder an den Bedürfnissen der Menschen ausrichten müsse. Stefan Körzell pflichtete ihm bei: „Wir brauchen keinen schlanken Staat, sondern einen leistungsfähigen Wohlfahrtsstaat. Um Chancengleichheit zu gewährleisten, aber auch um Benachteiligungen auszugleichen, fordert der DGB einen starken öffentlichen Sektor, der den gleichberechtigten, diskriminierungsfreien und kostengünstigen oder gegebenenfalls kostenlosen Zugang zu Bildung, Kultur, Gesundheit und sozialer Sicherheit herstellt. Eine angemessene Daseinsvorsorge bildet letztlich die gesellschaftliche Grundlage des Zusammenlebens in einer Gesellschaft.“
Den kompletten Bericht als Download gibt es unter:
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