ver.di Hessen bewertet den Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung als größtenteils herbe Enttäuschung, wenngleich es auch positive Aspekte gebe. Landesbezirksleiter Jürgen Bothner nach eingehender Beratung mit den Landesfachbereichsleitern: „Arbeit und Soziales ist gemessen an der Koalitionsvereinbarung kein Schwerpunkt der neuen Landesregierung. Bitter ist, dass Hessen nicht in die Tarifgemeinschaft der Länder zurückkehrt. Es wird so getan, als seien die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes die Ursache für die Verschuldung des Landes Hessen. Sie – insbesondere die Beamten – bekommen weniger Geld, dafür reduziert sich ihre Arbeitszeit um eine Stunde. Das heißt, sie müssen mehr arbeiten, die Arbeitsverdichtung nimmt durch den fehlenden Personalausgleich und den Stellenabbau stetig zu. Das kann man eigentlich nur als Verarschung bezeichnen.
Gut finden wir, dass die sachgrundlosen Befristungen von Arbeitsverhältnissen im öffentli-chen Dienst überprüft und zurückgeführt werden sollen.“
Insgesamt sieht sich Bothner in der Kritik an der Schuldenbremse in der hessischen Verfassung bestätigt. „Sie dient jetzt als Grund für Abbau und Stillstand“.
Rebecca Liebig, zuständig für Beamtinnen und Beamte geht ins Detail: „Die Arbeitszeitver-kürzung für Beamte ab 2017 ist weniger als ein Trostpflaster. Die von schwarz-grün beschlossenen Maßnahmen wie das Besoldungsdiktat im Umfang einer jährlichen Steigerung von 1 Prozent der Besoldung von rund 140.000 hessischen Beamtinnen und Beamten ab dem Jahr 2016, der geplante generellen Abbau von rund 450 Stellen in der Landesverwaltung ab 2014 und schließlich das Absenken des Niveaus der hessischen Beihilfenverordnung auf das Niveau des Bundes beziehungsweise anderer Bundesländer – dies alles belastet den öffentlichen Dienst einseitig.“
Thomas Schenk, Fachbereichsleiter Bund und Land ergänzt: „Durch den Abbau von 2.600 Stellen in den nächsten fünf Jahren wird das demographische Problem des hohen Durch-schnittsalters der Beschäftigten der hessischen Landesverwaltung nicht behoben, sondern verstärkt. Das ist eine schwere Hypothek für künftige Generationen.“
Gerhard Abendschein, Fachbereichsleiter Kommunen ist skeptisch, was die Kommunalfinan-zen angeht: „Die Kommunen bleiben ohne belastbare Zusagen zur Entlastung und Unterstützung. Insbesondere was die Rücknahme der willkürlichen und verfassungswidrigen Kürzung des kommunalen Finanzausgleichs KFA betrifft, denn die gerichtlich angeordnete Anpassung des KFAs wird maximal verschoben. Beim Kinderförderungsgesetz KiFög wird die Kritik der Fachleute, der Träger und der durch ver.di vertretenen ErzieherInnen ignoriert. Es werden bewusst schwer rückholbare Fakten geschaffen. Das kritisieren wir scharf.“
Als zu vage behandelt bezeichnet der Landesfachbereichsleiter Abfallwirtschaft, Ralf Stamm, seinen Zuständigkeitsbereich im Koalitionsvertrag. „Zum Thema Tariftreue gibt es nur unkonkrete Vereinbarungen. Insbesondere fehlen wirksame Kontrollmechanismen. Immerhin wird den Auftragsvergebenen die Möglichkeit eingeräumt, soziale und ökologische Stan-dards bei Ausschreibungen aufzunehmen. Wasser ist in Hessen weiter kein Menschenrecht. Wir vermissen eine klare Aussage zum Thema Privatisierung der Wasserwirtschaft und zu den unsäglichen Kartellverfahren, die ihren Ausgangspunkt im Wirtschaftsministerium ha-ben.
Die Ablehnung von Fracking ist sehr positiv. Gut auch, dass die Ergebnisse des hessischen Energiegipfels umgesetzt werden sollen. Positiv auch die Vereinbarung zum Rückbau von Biblis. Unsere Zustimmung findet ebenso, dass der § 121 der Hessischen Gemeindeordnung, der die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen untersagte, geändert wird. Damit wird eine Grauzone beseitigt. Ungenügend ist dagegen, dass einerseits nach der Vereinbarung sehr breit erneuerbare Energien gefördert werden sollen. Was aber die Verteilnetze betrifft, soll lediglich eine Studie zu ihrer Leistungsfähigkeit in Auftrag gegeben werden. Das heißt, der ungebremste, planlose Zubau an Erneuerbaren geht erst mal weiter.“
Der Fachbereich Gesundheit und soziale Dienste findet von seinen Hauptinhalten kaum etwas im Koalitionsvertrag wieder. Landesfachbereichsleiter Georg Schulze-Ziehaus: „ Der Vertrag bleibt leider sehr im allgemeinen. Aus unserer Sicht sind die wesentlichen landespolitischen Themen ausreichende Investitionsförderung für Krankenhäuser, personelle Mindeststandards in Kliniken, personelle Mindeststandards in den Pflegeeinrichtungen und Aufwertung der Pflegeberufe nicht ausreichend berücksichtigt. Zu befürchten ist, dass die Sparpolitik, zu der sich die schwarz-grüne Koalition bekennt, verhindert, dass in den zentralen landespolitischen Aufgaben im Bereich Gesundheit, Krankenhäuser und Pflege die notwendigen Maßnahmen zur Sicherung und Verbesserung von Qualität und Versorgung erfolgen.“
Als völlig unzureichend bewertet ver.di die Aussagen zur Zukunft der Printmedien. Manfred Moos, Landesfachbereichsleiter Medien: „Die Pressekonzentration in Hessen und die zunehmende Entwertung des Journalistenberufs durch untertarifliche Bezahlung von Redakteuren und freien Mitarbeitern infolge von Tarifflucht vieler Zeitungsverlage gefährden massiv die Pressevielfalt und -freiheit. ver.di fordert deshalb eine aktive Medienpolitik, die auch die zunehmende Bedeutung von Online-Medien mit einbezieht. Notwendig sind Initiativen zur Förderung von Aus- und Weiterbildung und die Absicherung der Unabhängigkeit journalistischer Arbeit vor kommerziellen Interessen im Landespressegesetz.“
Positiv ist aus Sicht von ver.di, dass es weiter keine Studiengebühren geben wird. Die Wahlfreiheit zwischen G8 und G9 für Eltern lehnt ver.di allerdings aus den bekannten Gründen (Selektion, Entwicklungsfreiräume) weiter strikt ab.
Der für Hochschulen zuständige Landesfachbereichsleiter Tom Winhold: „Das geplante Promotionsrecht für forschungsstarke Fachhochschulen ist zwar grundsätzlich gut, aber es fehlt an einer klaren hochschulpolitischen Debatte über das Profil der hessischen Hochschulland-schaft mit ihren verschiedenen Typen.
Kritisch sehen wir unter anderem die Hochschulfinanzierung. Im Vertrag ist die Rede von einer „auskömmlichen Grundfinanzierung“, sogar von dem Angebot an die Hochschulen, einen Zuschlag darauf zu bekommen. Doch es wird erstens nicht konkretisiert, an welche Bedingungen dieses Angebot geknüpft ist. Noch wichtiger: damit wird nicht das über Jahre aufgebaute Missverhältnis von Grundfinanzierung zu Sonderprogrammen umgekehrt.
In diesem Zusammenhang kritisieren wir auch die Weiterentwicklung der „leistungsorientierten Mittelzuweisung“ (LOMZ), weil sie der Forderung nach einem verlässlichen Grundbudget entgegensteht. Zwar wird anerkannt, dass die Studierendenzahlen steigen werden, aber auch dem wird nicht Rechnung getragen in der Finanzierungsaussage, diese ist viel zu allgemein.“
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