Die Probleme in der Pflege in Hessen jetzt angehen

Pressemitteilung vom 26.06.2023

Veranstaltung mit den sozialpolitischen Sprecherinnen im Hessischen Landtag / Diskussion rund um die Herausforderungen Qualität, Personal und Finanzierung

Die Altenpflege in Hessen steht vor immensen Herausforderungen: Auf der einen Seite suchen alte Menschen und ihre Angehörigen händeringend und oft vergeblich einen (bezahlbaren) Platz im Seniorenheim. Auf der anderen Seite meldeten in Hessen jüngst gleich mehrere Anbieter von Altenpflegeeinrichtungen Insolvenz an. Wie passt das zusammen? Um die vielfältigen Probleme der Pflege in Hessen anzugehen, fand am Freitag in Marburg ein politisches Werkstattgespräch „Pflege in Hessen“ statt. Die Sozialpartner ver.di Hessen und der Dienstgeberverband Diakonische Altenhilfe Hessen (DV.DAH) diskutierten dabei – teils kontrovers – mit den sozialpolitischen Sprecherinnen im Hessischen Landtag – Claudia Ravensburg MdL von der CDU, Dr. Daniela Sommer MdL von der SPD und Silvia Brünnel MdL von den GRÜNEN.

Schnell sind die drei wesentlichen Kernthemen genannt: Qualität, Personal und Finanzierung. „Schwieriger wird es, wie diese Herausforderungen tatsächlich angegangen und zukunftssicher gestaltet werden können“, sagt Oswald Beuthert, Sprecher des DV.DAH. Beispielhaft schilderte er aus seiner Position in der Geschäftsführung der WDS Altenhilfe + Pflege gGmbH in Bad Arolsen, dass die Betreiber ihre bestehenden Einrichtungen im Bestand sanieren und außerdem weitere erforderliche Pflegeplätze neu schaffen müssten. „Hier fordern uns Klimaschutzinvestitionen und Digitalisierungsaufwand – gerade in Zeiten hoher Inflation, insbesondere im Energiebereich – noch weiter finanziell heraus.“ Helfen könnten beispielsweise Landes-Finanzierungsprogramme für Sanierungen und Neubauten, die Anerkennung der tatsächlichen Baukosten pro Platz oder die sofortige Refinanzierung von Investitionen.

Beim Thema Fachpersonal hat die Diakonische Altenhilfe in Hessen bereits im vergangenen Jahr einen wesentlichen Schritt nach vorn gemacht, indem ver.di und DV.DAH ein branchen- und kirchengemäßes Tarifwerk vereinbart haben. Dieses bietet den tarifgebundenen Einrichtungen innovative Regelungen für gute Arbeitsbedingungen. Georg Schulze, bei ver.di Hessen der Landesleiter des Fachbereichs Gesundheit, soziale Dienste, Bildung und Wissenschaft, sagt: „Wichtig ist jetzt, dieses Niveau weiterzuentwickeln. Denn gute tarifvertragliche Arbeitsbedingungen sind ein entscheidender Faktor, um auch zukünftig ausreichend Personal gewinnen zu können. “

Gemeinsames Anliegen der Sozialpartner ist es, konstruktive Vorschläge für die Finanzierung zu machen – damit erstens die Anbieter von Altenpflege nicht im Preis-, sondern im Qualitätswettbewerb stehen können, und zweitens Pflegbedürftigkeit für die Betroffenen nicht zum Armutsrisiko wird. Schulze betonte: „Wir wollen den hohen beruflichen Anforderungen im Pflegebereich und der enormen gesellschaftlichen Bedeutung aller in den Pflegeieinrichtungen Beschäftigten mit entsprechenden Entgelten Rechnung tragen. Gutes Personal ist nur mit attraktiven Löhnen und verlässlichen Arbeitszeiten zu bekommen.“ Da die Leistungen der Pflegekassen aber gedeckelt seien, führten höhere Tarifentgelte der Beschäftigten allerdings auch zu steigenden Eigenanteilen und damit zu einer höheren finanziellen Belastung der pflegebedürftigen Heimbewohnerinnen und -bewohner. „Hier könnte auch das Land Hessen den Kostendruck auf die Bewohnerinnen und Bewohner senken – zum Beispiel durch höhere Bezuschussung der Investitionskosten der Pflegeeirichtungen“, so Schulze. Diesem Vorschlag stimmt Beuthert zu: „Häufig liegt der Eigenanteil der Heimbewohner im ersten Jahr der Betreuung bei über 3.000 Euro pro Monat. Weitere Steigerungen sind da kaum vorstellbar, zumal schon jetzt sehr viele Heimbewohner trotz ordentlicher Rente auf eine ergänzende Sozialhilfe angewiesen sind.“

Zum Werkstattgespräch waren zudem weitere Akteure und Entscheider eingeladen, sodass auch die Herausforderungen von Pflegekassen, Landkreis- und Städtetagen, Sozialämtern sowie den Vertretungen von Beschäftigten, Bewohnern und Angehörigen deutlich wurden. Die drei Landtagsabgeordneten äußerten sich vorab wie folgt:

Claudia Ravensburg MdL, sozialpolitische Sprecherin der CDU im Hessischen Landtag:

  • „Eine Maßnahme gegen den Fachkräftemangel ist das bundesweit einzigartige Pflegequalifizierungszentrum Hessen. Das PQZ in Marburg arbeitet sektorenübergreifend daran, dem Fachkräftemangel in der Pflege- und Gesundheitsbranche aktiv entgegenzuwirken. Mit einer Vielzahl an weiteren Maßnahmen, wie z.B. dem Neuen Bündnis Fachkräftesicherung Hessen, welches einen Arbeitsschwerpunkt auf die Deckung des Personalbedarfs in Pflege und Gesundheit legt oder den Fachkräftecamps sowie den Programmen „Sozialwirtschaft integriert“ und „Pflege integriert“ wollen wir dem Fachkräftemangel entgegenwirken.“

Dr. Daniela Sommer MdL, sozialpolitische Sprecherin der SPD im Hessischen Landtag

  • „Pflegebedürftige haben eine gute Versorgung und Pflegende haben mehr Anerkennung, Respekt und Wertschätzung verdient. Das bedeutet für mich als pflegepolitische Sprecherin, es muss sich Etliches ändern: Die Ausbildung muss attraktiver und bekannter werden. Es braucht genügend Plätze und Schulen, die Anerkennung muss beschleunigt werden. Aber vor allem müssen sich die Arbeitsbedingungen dringend verbessern. Personalmindeststandards sind da ein wichtiger Baustein. Denn es werden immer mehr und immer schwerere Fälle versorgt – mit dem gleichen oder sogar weniger Personal! Das Personal braucht mehr Zeit und mehr Kapazitäten, um sich um die Bedürfnisse der zu Pflegenden zu kümmern.“

Silvia Brünnel, sozialpolitische Sprecherin der GRÜNEN im Hessischen Landtag

  • „Um die pflegerische Versorgung in Hessen sicherzustellen und Pflegebedürftige sowie ihre Angehörigen zu unterstützen, stehen 10 Millionen Euro für die investive Förderung von Kurzzeit- und Tagespflegeplätze sowie ambulant betreute Wohngemeinschaften bereit, mit weiteren vier Millionen Euro unterstützen wir Modellvorhaben zur Schaffung flexibler Angebotsstrukturen. Wir fokussieren uns auf die Bereiche, die auf Landesebene gesteuert werden können; aber nur durch eine gemeinsame Kraftanstrengung auf allen Ebenen können wir den Herausforderungen des demografischen Wandels begegnen.“

 
Werstattgespräch Altenpflege Hessen